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Und das ist erst der Anfang ....

Obwohl die sogenannten Pastoralbriefe Verse enthalten, die Frauen das Reden und Lehren in der Gemeindeversammlung verbieten, können sie heute nicht mehr als Argument für ein Verkündigungs­verbot für Frauen angeführt werden.

Zu den Pastoralbriefen gehören die zwei Briefe an Timotheus und der Brief an Titus. Nach mehrheitlicher Forschungsmeinung sind sie Pseudepigraphen, stammen also nicht von Paulus selbst, sondern sind später in seinem Namen verfasst. Besonders der 1. Timotheusbrief legt die Rolle von Frauen deutlich fest: „Eine Frau soll sich still und in voller Unterordnung belehren lassen. Dass eine Frau lehrt, erlaube ich nicht, auch nicht, dass sie über ihren Mann herrscht; sie soll sich still verhalten“ (1 Tim 2,11f). Zudem liege ihre Rettung nach der Sünde Evas im Kindergebären. Aussagen wie diese haben den Pastoralbriefen einen äußerst misogynen und ausgrenzenden Ruf eingebracht.

Kann man das Lehrverbot aus 1 Tim 2,11f heute als Argument für ein Predigt- und Verkündigungsverbot für Frauen verwenden? Nach einer Bewertung der österreichischen Neutestamentlerin Dr. Barbara Lumesberger-Loisl in der neuen Ausgabe von Bibel und Kirche (2/2023), lautet die Antwort: nein! Denn im Corpus des Paulus, so wie uns der Kanon des Neuen Testaments die echten und falschen Paulusbriefe präsentiert, findet sich beides: das Schweigegebot neben der kollegialen Zusammenarbeit mit zahlreichen Frauen, die selbstverständlich lehren, verkündigen und Gemeindeleitung übernehmen. Auf die Frage, welcher Aussage mehr normatives Gewicht für heutige kirchliche Praxis zukommt – echt paulinisch oder später aktualisierend –, oder wie Lumesberger-Loisl es formuliert „Wer gewinnt das Match?“,  antwortet die Neutestamentlerin mit dem Hinweis auf den grundlegenden Charakter des biblischen Kanons: Der Kanon umfasst biblische Wahrheit in Vielfalt bis hin zu Widersprüchlichkeit. „Der Kanon spiegelt Rezeptionsprozesse, die das in der Bibel bezeugte Gotteswort in je neue Kontexte hineinsprechen lassen.“ Einen klaren Bauplan für Kirche der Gegenwart suche man in der Bibel vergebens, sondern finde stattdessen Spielräume „zur Aktualisierung der biblischen Botschaft für ein je neues Heute“.

Gerade die Pastoralbriefe im Namen des Paulus weisen daher darauf hin, dass Kirche eine tragfähige gemeinschaftliche Praxis für heute finden kann und sollte.

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Mehr erfahren: Inhalt der Ausgabe „Männer. Macht. Maskenspiel. Die Briefe an Timotheus und Titus“ (Bibel und Kirche 2/2023)

Stefan Krauter
Auf den zweiten Blick
Eine Hinführung zu den Pastoralbriefen

Karl Matthias Schmidt
Larven des Lehrers
Der Abschluss der neutestamentlichen Paulus-Pseudepigraphie

Joram Luttenberger
Prophetenmantel oder Bücherfutteral?
Überlegungen zu den persönlichen Notizen in den Pastoralbriefen

Ulrike Wagener
Was sollen die Außenstehenden von uns denken?
Orientierung an der Reaktion der nichtchristlichen Umwelt in den Pastoralbriefen

Gerd Häfner
»Eine gute Aufgabe« (1 Tim 3,1)
Ämter in den Pastoralbriefen und ihre Fortschreibung in neuen Kontexten

Angela Standhartinger
Ältere Frauen, Presbyterinnen und Witwen in den Pastoralbriefen

Bettina Eltrop
Die Israelvergessenheit der Pastoralbriefe

Barbara Lumesberger-Loisl
Predigtverbot für Frauen – bis heute?

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• Weitere Informationen:
Männer. Macht. Maskenspiel 
Die Briefe an Timotheus und Titus. 
Bibel und Kirche 2/2023 
ISBN 978-3-948219-15-4, 60 S., 
Katholisches Bibelwerk e.V. 2023
www.bibelundkirche.de/aktuelles-heft

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