Das frühe Christentum als Versuchslabor

Stuttgart – Häresie! Mit diesem Kampfbegriff wurden in der frühen Kirche schnell missliebige Gegner verurteilt und verbannt. Wusste die Kirche also von Beginn an, was der richtige und der falsche Glaube ist? Die neue Ausgabe von untersucht die frühchristlichen Häresien und zeichnet ein neues Bild des frühen Christentums – als einem Versuchslabor der Glaubensformen.

Auch wenn manche das Christentum heute gern als eindeutiges Lehrsystem sehen möchten: Schon in den Anfängen der Kirche war das keineswegs so. Unter dem Vorwurf der Häresie wurden auf Konzilien christliche Gruppen mit dem „Anathema“ belegt, einem Bann. Ihnen wurde der wahre Glaube abgesprochen, und – kaum verwunderlich – setzte sich dabei bisweilen die lauteste, einflussreichste und politisch bestvernetzte Stimme durch. Die christologischen Details einer Glaubensauffassung standen dabei manchmal im Hintergrund, wie die neue Ausgabe von Welt und Umwelt der Bibel erkundet (WUB 2/2024, Frühchristliche Häresien – das Ringen um den rechten Glauben). 

„Das frühe Christentum gleicht einem großen Versuchslabor, in dem unterschiedliche Glaubens- und Lebensformen entwickelt, diskutiert und ausprobiert werden“, erläutern die Passauer Professor:innen Christian Handschuh (Kirchengeschichte), Sandra Huebenthal (Biblische Exegese) und Markus Weißer (Dogmatik). „Zentrale Inhalte des gemeinsamen Glaubens mussten erst nach dem Prinzip trial and error verbindlich definiert werden“. Manche Positionen wurden mehrheitlich nicht weiterverfolgt, aber keineswegs sei von Anfang an klar gewesen, welche Glaubensüberzeugung sich durchsetzen würde. Damit entsteht das Bild eines bunten und vielfältigen Christentums der ersten drei Jahrhunderte, das sich lokal und regional völlig unterschiedlich entfaltete und in einem längeren Prozess seine Identität bildete. 

Die drei Passauer Lehrenden betonen, dass man statt Häresien besser von Heterodoxien sprechen sollte: Abweichungen von einer erst später definierten Lehre. Zu diesem Thema haben sie für ihre Studierenden ein fächerübergreifendes Seminar angeboten. Dabei ist für die Magazin-Ausgabe ein außergewöhnlicher Überblick mit knappen Charakterisierungen aller 20 frühchristlicher Gruppierungen entstanden, die aus den verfügbaren Quellen bekannt sind.

Weitere Beiträge beleuchten unter anderem die Gnosis, das soziologische Feld von Identität und Abgrenzung und wie vom schmählichen Tod von Häretikern erzählt wird.

 

Mehr erfahren: Inhalt der Ausgabe „Frühchristliche Häresien“
 

Christian Handschuh, Sandra Huebenthal, Markus Weißer
Auf der Suche nach christlicher Identität
Häresie oder Heterodoxie – (nicht nur) eine Begriffsklärung

 

Christian Blumenthal
Das Neue Testament plädiert für theologische Diversität – Einzelschriften können auch anders …
Häresie in neutestamentlicher Zeit?

Christian Hornung
„Häretiker – gottlos, schwatzhaft und listig“
Abgrenzung unter Christen

Studierende und Lehrende der Universität Passau
So viele Glaubensrichtungen wie Gläubige?
Frühchristliche Häresien im Überblick 

Jens Schröter
… die nach Erkenntnis suchen
Gnosis und Gnostiker im frühen Christentum 

Georg Röwekamp
Origenes – Ketzer oder Kirchenvater? 

Uta Heil
Keineswegs nur eine theologische Streitfrage
Auseinandersetzungen um den Arianismus

Andreas Müller
„Durch den Einsturz der Badestube getötet“ 
Die Rede vom schmählichen Tod der Häretiker 

Winrich Löhr
Das erste Todesurteil für Häretiker
Priscillian und die Priscillianisten

Christian Lange
Nestorios war kein „Nestorianer“
Eigenwilliges Vorgehen auf dem Konzil von Ephesus

Melanie Peetz 
Vielfalt, Identität und Abgrenzung im frühen Judentum
Streit um den Kult und die Auslegung der Tora

Welt und Umwelt der Bibel – Archäologie, Kunst, Geschichte erscheint seit über 25 Jahren im Katholischen Bibelwerk e.V., in Kooperation mit dem französischen Magazin „Le Monde de la Bible“ (Bayard Presse). Forschende aus den Feldern Theologie, Archäologie, Kunst, Judaistik, Islamwissenschaft, Ägyptologie und Orientalistik berichten über Kultur, Religion und Geschichte der biblischen Länder. Damit ist das Magazin international, ökumenisch und interdisziplinär aufgestellt. Jede Ausgabe umfasst aktuelle archäologische Meldungen und Forschungen, Ausstellungs- und Veranstaltungstermine sowie Literaturtipps. 

• Weitere Informationen:

Frühchristliche Häresien – Ringen um den richtigen Glauben“
Welt und Umwelt der Bibel 2/24 (Nr. 112) , 80 S., € 12,80, 
ISBN 978-3-948219-59-8
www.weltundumweltderbibel.de

• Bezugsquelle:
bestellung(at)bibelwerk.de
Tel. 0711 619 20 26;
im Abonnement bei 
Katholisches Bibelwerk e.V., 
Tel. 0711 619 20 50, 
online unter 
www.weltundumweltderbibel.de

• Pressekontakt
Helga Kaiser
Tel. 0711 619 20 51 
presse(at)bibelwerk.de

Katholisches Bibelwerk e.V.
Silberburgstr. 121
70176 Stuttgart